Personalauswahl. Erfahrungen, gute und schlechte

Personalauswahl in der Wissenschaft verläuft bekanntlich leider oft auf eine Weise, die Beteiligte unnötig verletzt zurücklässt, Anlass für Spekulationen über den Ablauf des Verfahrens bietet und im Ergebnis von aussen nicht immer völlig überzeugend erscheint.

Das beruht selbstverständlich auch darauf, dass viele von uns grundsätzlich dazu neigen, notwendig kontingenten Erfolg sich selbst zuzuschreiben, Misserfolg aber auf das Konto böser fremder Mächte zu buchen.

Gleichwohl, es liegt viel im Argen, schon deshalb, weil diese Verfahren idR a) von HR-Dilletant*innen bestritten werden und b) von Dilletant*innen mit spezifischen inner-institutionellen Eigeninteressen und c) von zum grossen Teil fachfremden Stakeholdern.
Davon kann ich selbst lange Lieder singen als vielmaliger Kandidat irgendwo in D (Gruselgeschichten!), als vielmaliges Kommissionsmitglied in D (gemischte Erf!), als manchmaliger externer Gutachter in D (gemischt).
Als prekärer Kandidat bin ich allerdings selbst fast um den Verstand gebracht worden.

In mehr als 6 Jahren Schweiz als verantwortlicher Leiter einen grossen, multidisziplinären Abteilung mit direkter Verantwortung in Personalführung, -administration und -auswahl durfte ich neue Erfahrungen machen und froh sehen: Es KANN auch anders gehen.

Voraussetzungen dafür: a) eine grosszügig und professionell (Fachleute!) ausgestattete HR-Abteilung, b) eine vernünftige Software (z.B. Refline), überhaupt ein digitalisiertes Verfahren c) viel Zeit, mehrere Begegnungen, unabhängige Sichtweisen, d) klare Letztverantwortung.

In einer vernünftigen Software liegt jedem Kommissionsmitglied jederzeit ALLES Relevante vor, man spart Sitzungstermine, insofern jede*r in einer Frist digital A-C raten muss/kann. Es entsteht so ohne sozialen Druck der Kommiss ein repräsentatives Meinungsbild zur Einladung.

Die Einladung selber geht nur an eine kleinere Gruppe von Kandidat*innen, um jeder*m das berechtigte Gefühl zu geben, er/sie hat eine reelle Chance und um der Kommission die Chance zu geben, sich mit jeder*m Einzelnen wirklich ernsthaft auseinanderzusetzen.

Es gibt keinen Kommissionsleitenden, der in Sachen Personalauswahl nicht geschult wäre. Es gibt keinen Schritt der Auswahl, den ein professioneller und absolut unabhängiger HR-ler nicht mitgestalten würde.

Die Begegnung Kandidat*in und Kommission ist sachsystematisch und auch zeitlich klar differenziert: Zweistufig. Oft mit 2 Anreisen. Hier demnächst an zwei Tagen.
Am Tag 1 (!) steht bei uns ein professonelles 1-stündiges Personalauswahlgespräch, in dem der/die Kandidierende und d Kommission ihre Vorstellungen voneinander intensiv abgleichen, Ansprüche, Vermögen, Chancen wechselseitig prüfen können.
Am Tag 2 dann ein 20-minütiger Kurzvortrag zu einem a) von der Kommission vorgegeben und b) für alle gleichen Thema, das das Profil der Stelle spiegelt. Dazu Diskussion. Jeweils wieder max. insgesamt 60 Minuten.
Dazu am Tag 2: Eine Führung über den Campus durch zwei Mitglieder des Professurteams – mit der Gelegenheit für die K., ausserhalb der förmlichen Kommisionssitzung Fragen zu stellen, sich einen weiteren Eindruck zu machen.

Der Kommissionsentscheid fällt in der Regel noch am gleichen Tag.
Die/der Kommissionsvorsitzende ruft in den nachfolgenden Tagen jeden Eingeladenen PERSÖNLICH an und erläutert den Entscheid der Kommission: Angebot oder nicht.

Dieses ist so MÖGLICH an meiner Hochschule, und ich habe es als K-Vorsitzender bereits 8-mal genau so durchgeführt (m.m.). Nach den Erfahrungen in D. war/bin ich froh, solche Personalauswahlverfahren kennenzulernen, sie hinterlassen weniger Verletzte, mehr Bestärkte.

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