Dissertationsprojekt:
Die Geschichte des geschichtsdidaktischen Fachverbandes (KGD) 1968-1995 (Verfahren an der Humboldt-Universität Berlin)
Doktorand: Friederike Volkmer-Tolksberg
Betreuer: Prof. Dr. Marko Demantowsky
Mitglieder des Promotionskomitees: Prof. Dr. Thomas Sandkühler (Berlin) / Prof. Dr. Marko Demantowsky
Projektzeitraum (gesamt): Februar 2009 – 2018
Projektabschluss: September 2018
Kurzbeschrieb: „Etwas salopp und auch selbstkritisch kann man vielleicht sagen, dass eine Disziplin, wenn ihr nichts Neues mehr einfällt, sich der eigenen Disziplingeschichte zuwendet.“[1] Man kann aber auch argumentieren: Es musste erst eine gewisse Zeit vergehen, damit die Geschichtsdidaktik überhaupt eine eigene Geschichte aufweist, der es sich zuzuwenden lohnt. Denn, wie Hans-Jürgen Pandel zutreffend schreibt: „Die Ereignisse einer historischen Situation ereignen sich durcheinander und gleichzeitig und bilden von sich aus keinen Zusammenhang. Dieser wird erst durch die denkende Tätigkeit späterer Betrachter herausgestellt.“[2] Die Perspektive ist es, zum einen die historische Situation der Konferenz für Geschichtsdidaktik (KGD) als fachdidaktischen Fachverband in den Jahren 1970 bis 1995 zu beschreiben und zum anderen die Zusammenhänge herauszustellen, ihnen eine Struktur zu geben und sie in der Disziplingeschichte zu verankern.
Die materielle Grundlage der Arbeit bilden neben den Tagungsbänden und –bänden die vorliegenden Interviews mit verschiedenen Geschichtsdidaktikern, der erfasste Aktenbestand der KGD, sowie zeitgenössische und disziplingeschichtliche Literatur[3]. Die Arbeit soll also Sinn bilden, de- und rekonstruieren und sich dabei der Werkzeuge eines modernen Historikers bedienen.
Das primäre strukturierende Element soll die Chronologie der Tagungen sein, wobei hier bereits die erste „denkende Tätigkeit“ (s.o.) einsetzt. Es soll nämlich nicht jede Tagung einzeln betrachtet werden, vielmehr werden die Tagungen zu Phasen der Geschichte der Konferenz für Geschichtsdidaktik zusammengefasst, die sich in vorherigen Auseinandersetzungen mit dem Material als sinnvoll herausgestellt haben[4]: Begonnen wird mit der Vorgeschichte der Fachgruppe, beziehungsweise der Konferenz (1968-1972), es folgt die Phase von der Göttinger Konferenz (1973) bis zu der in Osnabrück (1977), in der es unter anderem um die Aufbruchsstimmung in den ersten Jahren der Konferenz und der Geschichtsdidaktik als Wissenschaftsdisziplin geht. Die Tagung 1979 in Berlin und die Ereignisse in ihrer zeitlichen Umgebung sollen als Krisenzeit isoliert in den Fokus genommen werden, da sich diese Phase oft als blinder Fleck in der Geschichte der Konferenz gezeigt hat: Kein Tagungsband, nur wenige Tagungsberichte, wenige Erinnerungen in den Interviews, vergleichsweise wenige Akten liegen hierzu vor. Die Phase nach der Krise reichte von 1983 (Augsburg) bis 1995 (Magdeburg), in ihr fand eine langsame Konsolidierung der KGD, vielleicht auch der gesamten Disziplin Geschichtsdidaktik statt. Allerdings muss untersucht werden, ob diese zwölf Jahre nicht doch in zwei Phasen unterteilt werden können, denn die Herausforderungen an die Geschichtsdidaktik und die KGD veränderten sich mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten, hier standen sich nun zwei unterschiedlich gewachsene Wissenschaftsdisziplinen gegenüber: Geschichtsmethodik und Geschichtsdidaktik, und die Vereinigung der beiden verlief mehr als holprig.
Insgesamt ist also bereits die Zusammenfassung der Tagungen und der Zeit dazwischen zu Phasen eine Hypothese, die es zu testen gilt.
Die einzelnen Sachkapitel werden, wie im Folgenden kurz vorgestellt, parallel aufgebaut, auch wenn sich durchaus Unterschiede in der Feingliederung ergeben können.
- Überblick über die Geschichte der Geschichtsdidaktik
Die Geschichtsdidaktik war im betrachteten Zeitraum eine junge Disziplin, die sich in einem Prozess der Abgrenzung, Differenzierung und Selbstdefinition befand. In dieser Zeit wurde die Entfernung zur Geschichtswissenschaft und den Nachbarwissenschaften ausgelotet, eigene Theorie, Empirie und Pragmatik entwickelt und verworfen und alte Strukturen reformiert oder übernommen. Die Geschichtsdidaktik wurde zu einer zunehmend universitären Disziplin, die aber abhängig blieb von äußeren Zwängen, zum Beispiel dem wechselnden Druck aus der Öffentlichkeit oder politischen Entscheidungen. Nur in wenigen Fällen war sie in der Lage, diesen Zwängen etwas entgegenzubringen oder selbst Druck nach außen zu produzieren. In ihrem Inneren war die Geschichtsdidaktik zunächst geprägt von verschiedenen didaktischen Positionen, die als Antrieb und Symptom der Selbstfindung betrachtet werden können.
In den einzelnen Sachkapiteln soll zunächst auf allgemeine Tendenzen und wichtige Ereignisse in der Geschichtsdidaktik eigegangen werden, Beispiele hierfür sind die omnipräsenten Hessischen Rahmenrichtlinien für Gesellschaftslehre, das Interesse der Öffentlichkeit an Geschichte oder die zunehmende Lehrerarbeitslosigkeit.
- Tagungen und Themen
Die Zweijahrestagungen waren die eigentliche Manifestation der Konferenz für Geschichtsdidaktik. Diese These gilt es für alle Phasen zu überprüfen. Im Hintergrund steht die Frage: Die Tagungen nahmen Impulse aus der Geschichtsdidaktik als Wissenschaft, der Politik und der Öffentlichkeit auf und verarbeiteten sie weiter, oder entwickelte die Konferenz eigene Impulse und gab sie an die Wissenschaft weiter? Einerseits werden hierzu die „harten“ Indikatoren analysiert, die oft aus den Akten entnommen werden können oder über die die Tagungsbände Auskunft geben (Teilnehmerzahl, Finanzierung, Organisation, Themenfindung). Gleichzeitig hatten die Zweijahrestagungen eine Bedeutung im sozialen Bereich, da sie Austausch, Diskussion, aber auch Profilierung und Selbstdarstellung ermöglichten, was natürlich auch ein gewisses Konfliktpotenzial in sich barg. Die Tagungen waren also sozial und wissenschaftlich Destillat, Symptom und Pulsgeber der Geschichtsdidaktik. Daher werden auch „weichere“ Indikatoren anhand der Akten, Interviews und Tagungsbände in den Fokus gerückt: Brachten die Tagungen in den Augen der Geschichtsdidaktik die Disziplin theoretisch, pragmatisch oder identitätsstiftend vorwärts? Wie wurde sie in den Tagungsberichten und –bänden bewertet?
- Innere und äußere Struktur
Die Vermutung liegt nahe, dass die innere und äußere Struktur der Konferenz von den allgemeinen Tendenzen in Geschichtsdidaktik und Geschichtswissenschaft geprägt wurde. Außerdem befand sie sich mit anderen Institutionen, vor allem dem Historikerverband und dem Geschichtslehrerverband, in einem ständigen Abgrenzungs- und Integrationsprozess. Die innere Struktur der KGD veränderte sich mit der Zeit, die Kommunikationswege änderten sich. Während Walter Fürnrohr und Hans-Georg Kirchhoff als alleinige Vorsitzende noch mühsam Karteien mit Adressen von interessierten Personen führten, an die die maschinengeschriebenen Rundbriefe verschickt wurden oder eigenhändig die Einladungen für die Tagungen schrieben, übernahm in späteren Jahren diese Aufgaben der Referent für Öffentlichkeitsarbeit per Email.
Weiterhin gilt es, die Rolle der Landesgruppen innerhalb der Konferenz zu ergründen, denn ihre Bedeutung wurde bisher in keiner Weise erfasst, allerdings lässt die Aktenlage vermuten, dass die Landesgruppen unterschiedlich aufgestellt waren und ihre Arbeit verschieden wahrnahmen.
Der Personenkreis, der besonders engagiert in der KGD arbeitete, war dabei nicht automatisch deckungsgleich mit dem Kreis, der tonangebend in der Geschichtsdidaktik (oder Geschichtswissenschaft) war. Bisher habe wurden unterschiedlichen geschichtsdidaktischen Positionen nur ein mittelbarer Effekt auf die KGD nachgesagt[5].
In diesen Unterkapiteln werden diese oft wenig expliziten Interaktionen untersucht, die die innere und äußere Struktur der KGD definierten. Hierzu gibt es aber auch konkretere Anhaltspunkte, was die Kontakte zu anderen Institutionen angeht.
Aus den Unterkapiteln müssen Schlussfolgerungen gezogen werden: Was ist das für eine Geschichte, die die KGD selbst in Form ihrer Quellen und Tagungsberichte erzählt? Wie ist sie den Teilnehmenden im Gedächtnis geblieben und welche Bedeutung kann ihr im Nachhinein beigemessen werden? Kann man in den Interviews vielleicht gar historisches Erzählen à la Jörn Rüsen über die KGD feststellen? Hier wird auch die Einteilung in die verschiedenen Phasen hinterfragt, eventuell modifiziert.
Zusammenfassend ist es also die Perspektive der Arbeit, eine Geschichte des geschichtsdidaktischen Fachverbandes zu schreiben und einen Beitrag zur Disziplingeschichte zu leisten, vielleicht eine historische Perspektive zu ermöglichen, die zu einer kritisch-ausgewogenen Gegenwartsbilanz der Geschichtsdidaktik beiträgt[6].
Anmerkungen
[1] Interview mit Gerhard Schneider. In: Thomas Sandkühler (Hg.): Historisches Lernen denken. Gespräche mit Geschichtsdidaktikern der Jahrgänge 1928-1947. Mit einer Dokumentation zum Historikertag 1976. Göttingen 2014, hier S. 468.
[2] Hans-Jürgen Pandel: Sinnbildung. In: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.): Wörterbuch Geschichtsdidaktik. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Schwalbach/Ts. 2009, S. 176f.
[3] Vgl. Friederike Volkmer-Tolksberg: Zur Verbandsgeschichte 1970-1995. In: Michael Sauer u.a. (Hg.): Geschichtslernen in biographischer Perspektive. Nachhaltigkeit – Entwicklung – Generationendifferenz. 2014, S. 333-348.
[4] Ebd. S. 348.
[5] Friederike Volkmer: Zur Geschichte des geschichtsdidaktischen Fachverbandes (KGD) 1973-1990. Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des Grades eines Master of Education der Fakultät für Geschichtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum.
[6] Joachim Rohlfes: Quo vadis, Geschichtsdidaktik? In: Olaf Hartung und Katja Köhr (Hg.): Geschichte und Geschichtsvermittlung. Festschrift für Karl Heinrich Pohl. Bielefeld 2008, S. 1.
Grundlagenliteratur:
- [to follow]